Prosa »

Ich weiß nicht mehr

„Ich weiß nicht mehr“ sagte er, und ihm war alles schwer. Aber es war ihm nicht schwer. Ein Druck war da, ja, oder drückend war´s, so auf Schultern und in den Beinen, aber schwer, es könnte schwerer sein alles, dachte er, und es war nicht mehr so schwer.

So war sein Gedanke bevor er die Augen aus dem Schlaf ausgrub, noch voll von Traum der im Abschied war. So war ihm. Aber wie war ihm wirklich? Da sagte er wieder: „Ich weiß nicht mehr.“ Und das half ihm die Decke langsam vom Körper zu streifen, den Oberkörper zu heben, sich seitwärts zu drehen, die Beine aus der Schlaf- in die Sitzhaltung zu bewegen, nur, um endlich aufrecht zu sein. Wie schwer das ist, dies Aufstehen, dachte er, und dachte das nicht schwer. „Eigenartig, ich bin eigenartig“ und erhob sich, dies leise murmelnd, vom Schlaf in den Stand, holte Luft, so, als wäre dies sein erster Atemzug, wie ein Neugeborener, doch was fehlte war ein Schrei.

Da stand er: Groß, ein Mann, krumm von der Nacht. Müde bin ich, dachte er, geh zur Ruh, wünschte er sich, und tat seinen ersten Schritt. Dann ging er auch schon. So einfach, so langsam, so gewohnt. Behangen von der Nacht, von verschwundenen Träumen, tat er das in leisen Schritten, die leicht und schwer den Boden berührten, als wäre er noch fern und als müsse er gehen, weil’s Muss ist, fern zu sein. Alles braucht seine Zeit, dachte er. Und als er fertig war für das Fernsein, der Mund, die Haut, nach der Reinigung, ohne seinen Geruch waren, da nahm er den Schlüssel aus dem Schloss, sah sich um, nahm alles in seiner Ordnung wahr, dachte, lieber hier bleiben würde ich, mich auf den Stuhl setzen lieber eigentlich, nur so, und machte im gleichen Moment die Tür schon auf, um zu gehen ins Andere.

So einfach, so lange.

Als die Wohnung abends der Schlüssel das Schloss öffnete, wusste sie, dass er es sein musste. Und da stand er auch schon in ihr, holte Luft, dachte, es riecht nach Nacht, stellte Nahrung ab, machte sich von Kleidung leicht und begrub die Nahrung in Fächer, ganz leicht das Schwere, so langsam, so schnell, als ginge ihn sein Dasein viel und gar nichts an. So klar.

Den Körper über Essen und Trinken zur Ruhe gebracht, den Geist über die letzten Seiten des Tages gesättigt, stieß er, längst schon bereit für den Schlaf, noch auf. Was für Bewegungen?, erschrak er. Weil er längst schon im Bett lag und in die Nacht wollte, machte er sich Gedanken über die Bewegungen und über sich. Ganz wichtig, sehr kurz.

Schwer wurde ihm über das Denken. Wo kommt die her, diese Bewegung? Ist da eine Ursache ganz tief? Doch das war viel. Viel, hält man viel aus?

Da wurde ihm schwer. Aber ihm war nicht wirklich schwer. Es war ein Druck da, ja, aber ein Druck so von unten, nicht von innen heraus. Genau während dieses Gedankens, wohl schon in der Mitte des Vorgangs dieses Gedankens, wurde ihm leichter und er konnte sich fühlen wie nach dem Schlaf vor dem Tag. Denn der Druck von unten hatte doch eigentlich etwas sehr Beruhigendes, wenn man es genauer betrachtete. Ein Druck von innen wäre mit mehr Unruhe hoch gestoßen.

Sehr schnell wurden dann seine Augen schwer. Eigenartig, ich bin eigenartig, dachte er, ich bin so gar nicht und doch so, ich weiß nicht mehr; und sagte noch, obwohl er es nicht mehr hörte: „Ich weiß nicht mehr“, bevor seine Augen einfach nur, so leicht, abtauchten, ganz langsam, und tief hinein in den Schlaf fielen. Ganz schwer einfach.
 
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