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Der 3970 Geburtstag
Ich wurde zwei Mal geboren. Das erste Mal im Jahre 1961 vor der Zeitrech-nung, und dann im Jahre 1961 nach Beginn der Zeitrechnung. Verwunderlich die erste Geburt, die in eine Ära der Menschheit fiel, in der bereits große Städte und Reiche existierten. Jedoch habe ich diese damalige andere Welt nur schemenhaft, oder besser, in ständig wiederehrenden Bildern wahrgenommen, die später, je älter ich in meinem zweiten Leben wurde, mehr und mehr an Glaub-würdigkeit gewannen. Für mich zunehmend an Glaubwürdigkeit gewannen. Niemand, dem ich davon berichtete, erkannte diese Geschichte meines Lebens als wahr an.
Soweit ich mich an mein erstes Leben zurückerinnern kann, war ich ein Kind in einer kleinen Gruppe von Menschen. Wir waren Nomaden, zogen damals irgendwo hin, um nirgendwo anzukommen. Man folgte einfach der Nahrung und lief stets der Existenz hinterher. An irgendeinem Ort an dem man sich niederließ, brannte bald ein Feuer. Ein Ort war nie ein Ziel, sondern Zeit in veränderter Dichte. Schön war es, wenn das Knistern des Fleisches zu hören war und der Geruch des Gebratenen die Gesichter fröhlicher machte.
Ich erinnere mich an einen Menschen mit zwei Brüsten. Damals gab es das Wort ›Frau‹ noch nicht. Und ich spürte, dass dieses Wesen mehr in Sorge um mich war, als all die anderen. Vielleicht denke ich heute auch zu viel in diese Tatsache hinein, denn ich war ja nur ein kleines Ding von Mensch, hilflos ohne Sprache zwischen kleinen und größeren menschlichen Wesen, die mit Lauten und Gesten ihre Wichtigkeiten deklamierten. Worte kannten wir noch nicht.
Wir hatten uns zusammengetan, weil es unmöglich war, neben den vielen, ebenfalls wortlosen Kreaturen in Wald und Steppe allein zu überleben. Aber die Erinnerung an diese ›Frau‹ ist nicht nur wach, weil sie mich - ein schutzloses, schwaches Etwas - hütete, sondern weil sie mich zu lieben schien, ihre Lippen auf meine Haut presste und dabei warme Gurri-Gurri-Laute ausstieß, zu denen sie mit abgebrochenen bräunlichen Zähnen lächelte.
Wohin wir gingen weiß ich nicht. Es schien ein Sinn hinter alledem zu stecken, der sich mir nicht erschloss. Aber dieser geheimnisvolle Sinn erhielt uns am Leben. Die Großen kamen mit Fleisch und Früchten und gaben den Kleinen davon ab.
Unsere Welt bestand aus einfachen Zusammenhängen und großen Gefahren. Wir waren ständig unterwegs. Alles geschah unter dem hellen Licht der sicheren Momente oder der darin eingeschlossenen, von unbekannten Geräuschen erfüllten Nacht. Obwohl uns einiges an dem, was uns umgab, vertraut war - der Ruf des Vogels, der den steilen Flug in die Tiefe andeutete, das Zirpen eines Insekts, das wir am Tage von Bäumen sammelten -, waren vor allem in den Nächten fremde Mächte unterwegs, deren Gerüche und Laute uns durch ihre Nähe in Unruhe, oft sogar in Angst versetzten. Wir wussten, dass wir in ein Geheimnis eingeschlossen waren. Wir kannten, was uns umgab, um es auch oft nicht zu erkennen. Wir waren Tiere mit rauen Lauten, die noch keinen Gedanken an eine Sprache verloren. Was wir besaßen, war die Furcht vor dem Unbekannten. Die Natur in ihrer kleinen Umgebung war so mächtig, dass wir uns von ihr trennen wollten. Wir waren im Nebel des Aufbruchs. Uns durchströmte der Wunsch nach sicheren Ufern.
Wenn ich das heute beschreibe, kurz vor meinem 3970. Geburtstag, mitten aus der Moderne heraus, einer Zeit, in der ich eine Sprache spreche, die den Ur-Sinn ihrer Worte nur noch teilweise kennt, Beschleicht mit Befremden über den eingeschlagenen Weg jener Gruppe. Unsere Wünsche nach sicheren Ufern sind an den Ängsten vor neuen Abhängigkeiten zerschellt. Und es ist möglich, dass wir heute erneut in einem Nebel stehen, der, der, sollte er sich auflösen, freie Sicht auf weitere viertausend Jahre gewähren könnte. Doch das ist Vermutung. Im Nebel erkennt man den Nebel nicht, weil man meint, sehen zu können.
Sprache hat mich kaum vorwärts gebracht, genauso wenig wie das Brot vom Bäcker, die eingerichtete Wohnung oder nachts das Licht aus elektrischen Leitungen. Die Natur ist immer noch stärker als die Dinge, die aus den Worten entstanden sind.
Damals fand ich über jenes Wesen mit den beiden Brüsten eine Verbundenheit, so etwas wie Frieden zur Welt, zur Nacht und zu den Gestalten, die mich umgaben. In dieser Frau schien eine Wärme zu wohnen, die etwas anderes meinte als pures Überleben.
Durch die ›Hüterin des Herdes‹, deren zutiefst verinnerlichte Aufgabe es war, für die Existenz ihrer Spezies zu sorgen, um so den Erhalt der Art zu sichern, begann ich, die große weibliche Not zu verstehen, die sich in ihrem Handeln in unzähligen Varianten widerspiegelt und deren Vielfältigkeit dem Prinzip der männlichen Not insofern entgegensteht, da sie nicht, wie diese, ihres energi-schen Dranges wegen sich in äußeren Gefilden zu verlieren sucht.
Irgendwann - die Frau, die Mutter sah besorgt dabei zu - richtete ich mich auf. Ich stand auf zwei Beinen. Zum ersten Mal empfand ich meine Größe. Ein eigenartiger Augenblick. Ich stand auf eigenen Beinen und war verwirrt, dass meine Arme in die Leere eines unfassbaren Wissens griffen. Ein gebrochenes Wahrnehmen. Ich stand leer und ich hoffte fest. Zum ersten Mal streckte ich die Arme ins Nichts. Nach vielen Übungen mich aufzurichten, um immer wieder auf alle viere zu fallen, lernte ich, dass es nicht schwer ist, auf zwei Beinen zu stehen.
Je leichter es mir fiel, desto bewusster wurde ich mir, ein Anderer zu sein, ob-wohl ich keine Ahnung hatte, was das denn eigentlich sei. Als ich schließlich ohne Angst vor dem Fall eine ordentliche Kräftigkeit im Stehen erreicht hatte, musste ich über meine vierbeinige Tiefe, in der ich zuvor existiert hatte, lächeln. Die Frau, die Mutter, die meine Übungen ihrerseits aufopferungsvoll über eine lange Zeit hilfreich unterstützt hatte, lächelte ebenfalls.
Was ich von da an sah, betrachtete ich mit anderen Augen. Ich konnte überbli-cken. Ich hatte eine Höhe. Plötzlich war es mir möglich über den Grasrand mei-ner krabbelnden vierbeinigen Dürftigkeit hinaus zu blicken und zu erkennen, was damit einherging: Ich sah von einer Höhe hinab, um an einer neuen Höhe hinaufzublicken. Da jeder Strauch, jeder Baum weitaus größer waren als ich, blickten sie auf mich herab, wie ich auf meine Vergangenheit.
Es war eine verwirrende Ausschau. Unter mir lag das Gras, in dem sich niedere Existenzen verloren, vor mir der Weg meiner Sippe, der in ungeraden Bahnen verlief und die Sicht auf kleinere und größere Feinde freigab. Über mir Hoff-nung und Furcht einflößende Ungewissheit. Es war nicht der Blick, der fliegt, sondern jener, der nicht mehr kriecht. Das vertikale Sehen hatte sich verändert, die Reichweite des Hoffens sich erhöht.
Ich ging mit dem Wesen, das in mir war. Mehr weiß ich nicht. Ich kroch, ich war abhängig von vielen Dingen, ich hatte eine Spenderin der Fürsorge, ich hatte die Not der zu befriedigenden Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Liebe. Und: Ich konnte nicht bewusst darüber entscheiden. Die Frau, die Mutter, unterstützte mich am Beginn meines Weges, half mir in meine Anfänge. Sie hatte mir unter diee Achseln gegriffen, um mich in den eigenen Stand zu bringen. Das verstand ich damals – in den ersten Jahren meiner vier Jahrtausende – noch nicht.
Von nun an war ich auf mich selbst gestellt.
Seitdem versuche ich zu gehen. Oasen und Wüsten der Zeit geben meinem Gang die Feinheit des Gleichgewichts.
Nachdem ich gelernt hatte zu stehen, begann die Erfahrung der Schritte, danach der Versuch, die Wege der anderen zu gehen und dann der Wunsch, die Wege aller zu durchbrechen, um an eigene Ziele zu gelangen. Wie oft ich dabei zu-sammenbrach, den Sand der Wege schluckte, kann ich nicht zählen. Das Knirschen des Sandes zwischen den Zähnen hat mich bis heute nicht verlassen. Mit heute ist das Jahr 2009 jener kalendarischen Zeitrechnung gemeint, deren Ge-burtsstunde der Tod eines Glaubensstifters war.
Ich bin 1961 vor und noch einmal 1961 nach der Zeitrechnung geboren worden. Zieht man alle Faktoren der wissenschaftlichen Begutachtung dieses Phänomens in Betracht, bin ich mein eigener Doppelgänger. Gegen mich - noch nicht einmal fünfzigjährig - wirkt Methusalem, dem man ein Alter von 969 Jahren zuschreibt, wie ein Jüngling.
Die Tatsache, dass ich über ein Alter dieses Ausmaßes verfüge, macht mich zwar stolz, dennoch nicht unbedingt glücklich, da ich nicht auf das Wissen und die Erfahrung zurückgreifen kann, die ein solcher Mensch in sich tragen sollte. Von den 3970 Jahren meines Lebens habe ich lediglich etwa siebzig bis achtzig existiert.
Am heutigen Tage stehe ich im 48. Lebensjahr meiner zweiten Existenz. Da ich über keine exakten Daten meines ersten Daseins verfüge - einer Zeit, die ich im Mythos verbrachte, obwohl der Logos bereits entstanden war - und ich das dazugehörige Lebensalter auf etwa dreißig Jahre schätze, ergibt sich ein In-Etwa-Gesamtlebensalter von siebzig bis achtzig Jahren für mich, was den 3970 Jahren nicht widerspricht, aber - wie gesagt - jeglicher wissens- und zeitgeschichtlichen Erfahrung entbehrt. Im Paradox liegt die Wahrheit.
Natürlich stellt sich die Frage, woher ich denn überhaupt wissen kann, dass ich bereits früher einmal gelebt habe, ja sogar genau bestimmen kann, dass das Jahr 1961 zweifach das meiner Geburt ist. Ganz einfach: Aufschluss gibt ein Erleb-nis, eine Eingebung, die ich als kleiner Junge im zweiten Leben hatte. Damals, es war um 1965/66, saß ich in einer Buddelkiste, die vor dem Haus, in dem wir im Parterre wohnten, attraktiv und kindergerecht hingebaut worden war. Ich füllte mit einer kleinen Schaufel Sand in Plastikformen, die Frösche, Enten und Fische imitieren sollten. Ich tat dies mit der intensiven Hingabe eines Kindes, das im Einklang mit sich die selbst gestellte Aufgabe voller Liebe erfüllt. Meine kleine Kinderhand grub mit einer Schippe im Sand, gab diesen in die Form, klopfte mit der Schaufel noch einmal nach, damit der Inhalt sich fester in die Form presse, und warf dann mit einem mächtigen Schwung die gefüllte Tierimitation rücklings auf den holzumsäumten Rand des Buddelkastens. Nachdem die Form vorsichtig abgehoben wurde, war das Ergebnis eben ein Frosch, eine Ente, ein Fisch aus Sand.
Nachdem ich einige dieser toten Halbgötter erschaffen hatte, stand ich auf, ging zum Wasserhahn, der sich an der Hausecke befand, nahm eine Gießkanne, ließ Wasser hinein, ging damit zum Ort der Erschaffung meiner leblosen Tierkrea-tionen zurück, betrachtete die Exponate meiner Schöpfung, nahm die Schaufel, schüttete mir Sand zwischen Brust und Latzhose und kippte das Wasser hinter-her. In dem Moment, da sich das Wasser an meiner Brust mit dem Sand mischte, warf ich die Kanne weg, stand erstarrt da und erinnerte mich an mein erstes Le-ben. Ich sah die Frau, die mich einst an ihre Brust gelegt hatte und erkannte einen großen, kräftigen, behaarten Mann, der mir mit tiefer Stimme etwas, was ich nicht deuten konnte, zubrummte.
Ich begann zu weinen und zu schreien. Meine zweite Mutter hörte mich, kam angelaufen, sah, wie ich dreckverschmiert und heulend dastand, schimpfte und lachte, hob mich zu sich hoch und nahm mich mit ins Haus. Dies war die erste Eingebung aus der Tiefe der Schlucht der Zeit.
Im vierzigsten Jahr meines zweiten Lebens hatte ich die Nase voll. Hunderte Erinnerungsbruchstücke, die mich ständig heimsuchten, egal ob ich in der U-Bahn saß, abends beim Fernsehen labilisierte oder in einer Frau war, brachten mich dazu, das Phänomen des zunehmend intensiver auf mich einwirkenden früheren Lebens zu erkunden.
Eines Morgens - ich war verschreckt erwacht, meine Hand krampfhaft um einen Speer klammernd, den ich einem Wasserbüffel zwischen die Augen rammen wollte - schüttelte ich mich, stand auf, duschte, zog mich an und begab mich schnurstracks zur physikalischen Fakultät der Universität, um mich einer Radiokarbon-Untersuchung zu unterziehen. Der Professor, dem ich mein Problem darlegte, hörte mir gewissenhaft zu, konnte aber ein Lächeln nicht verbergen. Nach Beendigung der Darlegungen bezüglich meiner Existenz, die aus zwei Geburten und Leben bestand, räusperte er sich und murmelte dem Kugelschreiber zu, den er in der linken Hand drehte: »Wissenschaftlich unmöglich …, nichts Vergleichbares gehört …, würde Jahrhunderte der Forschung in Frage stellen …, kann nicht sein«.
»Ich kann nicht sein?«, fragte ich.
»Sie schon.«
»Na, also.«
»Ihre Vermutung, dass Sie im zweiten Leben stehen, ist phänomenologisch von Interesse, streng wissenschaftlich aber ausgeschlossen. Sehen Sie, wir beschäftigen uns hier mit Physik. Unter anderem auch mit der Radiokarbonmethode, die einen Stoff relativ genau datieren kann. Wir wenden diese Methode, genauer gesagt, die C14-Datierung vor allem im Auftrage der Archäologie an. Der zeitliche Anwendungsbereich liegt zwischen 300 und 50.000 Jahren nach dem Ableben einer organischen Struktur. Allein die Tatsache, dass sie noch leben, macht Ihre Altersbestimmung hinfällig, da ja nicht untersucht werden kann, was nicht untersuchbar ist. Das Kohlenstoff-14-Isotop ist in Ihnen zwar vorhanden, auch zerfällt es, wird aber ständig wieder neu aufgenommen. Stünden sie als ein Toter vor mir, der, sagen wir mal, im 11. Jahrhundert starb, könnten wir über ihre Altersdatierung reden. Da Sie aber nicht über die Möglichkeit, ein zumindest 300-jähriger Toter zu sein, verfügen, sehe ich mich außerstande, Ihnen helfen zu können.« Er nahm ein Blatt Papier vom Schreibtisch. »Ich gebe ihnen mal die Telefonnummer von einem Kollegen, der sich mit dieser Art von Dingen beschäftigt.«
»Wie ..., beschäftigt?«, fragte ich.
»Nun ja, von der geisteswissenschaftlichen Seite.«
Dass ich von einem analytischen Betrachter mit spezialisiertem Fachbereich als ›geisteswissenschaftlicher Extrakt des menschlichen Denkkosmos‹ diagnostiziert wurde, hatte ich nicht in Betracht gezogen: »Meine geisteswissenschaftliche Seite?«
»Nun ja«, antwortete er, »genauer betrachtet, sind Sie ein hochinteressanter Fall für jene Fakultät, die sich der Analyse des Geistes widmet. Sehen Sie; was Sie behaupten, ist aus meiner Sicht der Dinge reiner Unsinn. Aber für Fachleute, die über einen anderen Zugang zur Welt verfügen, könnten Sie durchaus von unschätzbarem Wert sein.«
»Ich? Von unschätzbarem Wert?«
»Genau.«
»Aber für wen sollte ich interessant sein, wenn nicht für Sie?«
»Für die Psychiatrie.«
Ich sprang auf und raste im Zimmer des Professors von einer Wand zur ande-ren. Erregt legte ich ihm noch einmal den Sachverhalt meiner Beweggründe laut artikulierend dar, forderte ihn erneut auf, mich zu untersuchen. Er jedoch lächelte versunken ein mit Formeln bekritzeltes Blatt Papier an.
Nach einer kurzen Pause blieb vor ihm stehen, betrachtete ebenfalls die physikalischen Hieroglyphen und warf dann folgendes Argument in den universellen Raum seiner Wissenschaft: »Nehmen Sie doch einfach an, ich wäre tot.«
Er sah zu mir auf: »Wie bitte?«
»Ich bin bereits gestorben.«
Der Professor lehnte sich im Sessel zurück.
Ich weiter: »Der Tod in mir ist eine Tatsache. Setzt man dies voraus, muss er auch nachzuweisen sein. Oder anders formuliert: Ich bin vor circa 3940 Jahren gestorben und die C14-Methode muss dies feststellen können. Stimmt das?«
Ein Nicken, während ich zum entscheidenden Schlag ausholte. »Wenn das stimmt, dann frage ich mich, warum Sie zögern. Vor Ihnen steht eine neue Theorie, ein neuer wissenschaftlicher Ansatz, der Ihnen zu Ruhm und Anerkennung verhelfen wird. Oder sind Sie ein strikter Gegner des Nobelpreises?«
Der Professor zerriss den Zettel, auf dem er die Telefonnummer des Psychiaters seines Vertrauens notiert hatte, nahm ein neues Blatt, beschrieb es und reichte es mir herüber. Darauf stand der Termin meiner Untersuchung.
Ich war aufgeregt. Es war mir nicht einerlei. Wie würde die Untersuchung ablaufen? Müsste ich Schmerzen ertragen? – Egal. Ich wollte endlich Gewissheit. Und so ging alles seinen Gang. Ich nahm den Untersuchungstermin wahr.
Man spritzte mir ein Lokalanästhetikum zur örtlichen Betäubung und entnahm mir gleich zwei Knochenproben, eine aus dem Unterarm und eine aus der Hüfte. Sicherlich tat man das, um mit einem, der behauptete, zwei Mal gelebt zu haben, ein fehlerfreies Ergebnis zu erzielen. Jedenfalls bildete ich mir das ein.
Dann verging die Zeit der Prüfungen und Untersuchungen. Zwei Wochen nach der Knochenprobe rief mich der Professor an und teilte mir mit, dass ich ein Wunder sei. Er sagte: »Etwas in Ihnen ist wirklich circa 3970 Jahre alt. Ich weiß aber nicht, was. Ihr biologisches Alter von 48 Jahren widerspricht der Untersuchung, aber nicht Ihrem Dasein, denn Sie leben ja nun mal. Obwohl Sie existieren, sind Sie zur Hälfte tot. Sie sind jemand, den es gar nicht gibt.«
Dann hörte ich nur noch das Besetztzeichen im Telefonhörer.